Journal ARS 33 (2000) 1-3

Bibiana POMFYOVÁ

K niektorým otázkam hodnotenia stredovekej architektúry na Slovensku (Príklad Spiša)
[Zu einigen Fragen der Beurteilung der mittelalterlichen Architektur in der Slowakei (Am Beispiel der Zips)]
[To Some Questions of the Assessment of Medieval Architecture in Slovakia (Exemplified by the Spiš Region)]

(Summary)

Die Autorin setzt mit einigen älteren, vor allem durch Mencls Konzeption vertretenen Einsichten auf mittelalterliche Architektur der Slowakei auseinander. Im Vordergrund ihrer Aufmerksamkeit steht Zipser Architektur des 13. Jh. als Modelbeispiel der Probleme, zu denen Anfänge der christlichen Sakralarchitektur (die Frage grossmährischer Tradition), Anfänge der Gotik, Stiluneinheitlichkeit (in Verbindung mit allgemeinen Fragen des Stils und dessen Entwicklung) gehören. Der Ausgangspunkt stellt die Theorie der zisterzienser-burgundischen Architektur dar, die eine Plattform für Interpretation der betroffenen Probleme in der Region Zips gebildet (geschaffen) hat. Von grosser Bedeutung war sie für Beurteilung nicht nur der Zipser Baukunst, sonder auch der Architektur des 13. Jh. auf ganzem Gebiet der Slowakei.

Seit siebziger Jahren des 20. Jh. widerlegen archäologische Ausgrabungen die ältere Annahme, dass die Anfänge der Sakralarchitektur in der Zips erst mit deutscher Kolonisation und dem Zisterziensereinfluss im 13. Jh. verbunden werden können. Auf erster Stelle steht die Entdeckung des untergangenen Klosters in der Nähe von Zipser Kapitel (Spišská Kapitula), die sogar zur Hypothese über das Zipser Missionsgebiet und damit auch über die ältesten Sakralgebäuden im 9. Jh. führte. Heute wird dieses Problem skeptischer beurteilt und allein die Klosterüberreste wurden zuletzt ins 11. Jh. datiert. Die Überlegungen über vorromanische Tradition der Zipser Sakralarchitektur überleben trotzdem immer noch. Man muss aber sagen, dass es für sie im heute bekannten Material keine eindeutigen Beweise gibt. Trotz allen Problemen mit Datierung steht es fest, dass die Wurzeln der Zipser Sakralbauproduktion tief vor das 13. Jh. reichen.

Heutige den älteren Hypothesen widersprechende Kenntnisse stehen im Einklang mit der allgemeinen Kritik der Theorie über zisterziensisch-burgundische Architektur. Aufgrund des vorhandenen Forschungsstandes zeigt sich, dass man die Bauproduktion des Zisterzierserordens ausschliesslich vom Standpunkt des universalen Musters der Zisterzienserbaukunst nicht mehr betrachten kann. Mehr als die Ordensbauvorschriften hatten die Stifter und lokale Bautradition den Einfluss auf die Auswahl der architektonischen Formen. Die Verschiebung in der Auffassung der Zisterzienserarchitektur geschieht im Kontext der allgemeinen Veränderungen in der theoretischen Plattform der Kunstgeschichte in Richtung zum Stilpluralismus. Die seit langem verlaufenden Diskussionen zum Thema Stil und seine Entwicklung verwarfen die Vorstellung der linearen Stilevulution, auf der die Mencls Konzeption der Geschichte der mittelalterlichen Architektur in der Slowakei beruht. Die Paradigmawechsel ermöglichen auch neue Interpretation der Zipser Architektur. Eine der Belehrungen, die sich aus der Kritik der Zisterzienserarchitektur ergeben, ist, dass das Zisterzienserkloster keinen Ausgangspunkt der gesamten Bautätigkeit in der Region a priori bedeuten muss.

Zu den Hauptbauunternehmen des 13. Jh. in der Zips gehörten die Kirche des hl. Martins in Zipser Kapitel, das Zisterzienserkloster in Spišský Štiavnik (Schebnik) und romanischer Palast der Zipser Burg. Die Autorin polemisiert mit der eingelebten Datierung der Kirche in Zipser Kapitel (ungefähr 1245 - 1280) und schlägt aufgrund der Stilmerkmale und der Erwähnungen in den Urkunden (1235, 1248, 1249) die erste Hälfte des 13. Jh. vor. Sie äusserte die Hypothese, dass der Stifter dieses Gebäudes Koloman, der Sohn des Königs Andreas II. war. Koloman hatte den Sitz auf der Zipser Burg zwischen 1221 - 1241 und wird für den Bauherren romanisches Burgpalastes gehalten. Er erfüllte wahrscheinlich die Aufgabe eines wichtigen Stifters in der Zips. Es steht fest, dass das Kloster in Spišský Štiavnik von ihm auch gegründet wurde. Trotzdem ist architektonische Beziehung zwischen Zipser Kapitel und Spišský Štiavnik, die von Mencl als eindeutig angesehen wurde, aufgrund des heutigen Forschungsstandes unklar. Aus untergangenem Kloster stammen nur ein paar, meistens durch naturalistische Ornamentik gedeckte Stücke, die den Stilströmungen der letzten Jahrzehnte des 13. Jh. angehören. Man kann voraussetzen, dass das Kloster in Štiavnik die Initiative irgendwann nach dem Jahr 1260 übernahm, als es zur Renovation seiner durch Feuer zerstörten Gebäude kommen musste. An der architektonischen Ausstattung der mehreren Zipser Kirchen kann man den Einfluss oder direkte Zitate der erhaltenen, aus dem Kloster stammenden architektonischen Details beobachten. Das schönste Beispiel stellen die Schlusssteine und Konsolen in der Sakristei der Kirche in Hrabušice (Kabsdorf) dar. Bauformen der zahlreichen Dorfkirchen schliessen aber nicht aus, dass die Zips in dieser Zeit mehr Inspirationsquellen hatte, in deren Rahmen man mit der Tätigkeit der mehreren Steinmetzengruppen rechnen kann.

Bei dem gemeinsamen geschlossenen Blockcharakters der Zipser Gebäude und bei aller beschränkten Motivskala des Bauornaments wird die Zipser Bauproduktion dieses Zeitabschnittes durch Vielfalt der Bau- und Stilerscheinungen gekennzeichnet. Im Gegenteil zu den älteren Einsichten, die die einschiffige Langkirche mit rechteckigem von einem Joch der Kreuzrippengewölbe übergewölbten Presbyterium und einem Westturm als einziger Typ der Dorfsakralarchitektur fanden, liefern archäologische Entdeckungen Beweise über weitere in der Zips vorkommende architektonische Lösungen. Einige der Kirchen erlebte mehrere Bauphasen bis zur Wende des 13./14. Jh. Längere Bauentwicklung dieser Gebäude könnte das heterogene architektonische Gefüge teilweise erklären. Verwirrende Vielfältigkeit der Erscheinungen wurde aber auch von anderen Faktoren bedingt: überlebte Bautradition, Provinzialisierungsprozess und vor allem von komplizierter Entwicklung der mitteleuropäischen Architektur dieser Zeit.

Die Zipser Architektur der letzten Jahrzehnte des 13. Jh. wurde im Einklang mit konventioneller Auffasung dieses Problems mit dem Begriff "frühgotisch" bezeichnet. Nun steht die Frage vor uns, ob dieser Begriff weiter als überlieferte Datierungshilfe benutzt werden soll oder er auch einen konkreten Gehalt erfasst. In diesem Fall bedeutet "frühgotisch" in der Zips etwas anderes als "frühgotisch" im Rahmen der Slowakei oder Mitteleuropas. Ernő Marosi benützt für die Architektur der ungefähr zweiten Hälfte des 13. Jh. in mitteleuropäischen Regionen die Bezeichnung "hochgotisch". Er unterstreicht, dass die Wege der Durchdringung der hochgotischen Elemente nach Osten offene Frage vorläufig bleiben müssen. Es ging um allgemeine Strömung, um die stilistisch gleichwie chronologisch einheitliche Rezeption, deren Erklärung zumeist nur im Rahmen der Regionen möglich ist. In diesen Zusammenhängen ist auch die von Mencl festgestellten ausschliesslichen Beziehungen zwischen der Zipser Architektur und der Baukunst in Schlesien im 13. Jh. höchst fraglich.