Časopis ARS 31 (1998) 1-3

Jozef MEDVECKÝ

Medzi renesanciou a barokom. K charakteru domácej maliarskej tvorby prvej polovice 17. storočia
[Zwischen Renaissance und Barock. Zum Charakteristik der einheimischen malerischen Produktion der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts]
[Between Renaissance and Baroque. On Characteristics of the Local Painting Production of the First Half of the 17th Century]

(Resumé)

Die ersten drei Jahrhunderte der neuzeitlichen Kunst in der Slowakei beinhalten noch viele ungenügend erforschte Phasen und Probleme. Die Barockforscher konzentrierten sich meistens auf die künstlerische Problematik des achtzehnten Jahrhunderts, die also relativ am besten bekannt ist. Wesentlich weniger widmeten sich die Forscher dem 17. Jahrhundert. Es ist offensichtlich, daß diese so lange Übergangsperiode weder retrospektivisch - als eine Krise bzw. Zerfall der Prinzipien der Renaissance, noch perspektivisch - als eine Anfangsphase des Barock zu interpretieren ist. Wir begegnen nämlich einigen Symptomen des relativ eigenständigen und künstlerisch authentischen Stils, die man wohl am besten als "Manierismus" bezeichnen kann. Alle diese Tendenzen mischen sich miteinander, oft sogar in einem einzigen Kunstwerk, weshalb der Stilcharakter dieses Schaffens meistens uneindeutig ist (bis auf die Grenze der Volkskunst). Die Kunst der Slowakei im 17. Jahrhundert bildet somit ein heterogenes Ganzes, die man nur schwer periodisieren kann. Die Methode der Einzelwerkanalyse gewinnt also an Wichtigkeit. Neben dem Beitrag der fremdländischen Künstler und den importierten Werke sollte man dabei im einen größeren Umfang auch die bisher fast unbekannte einheimische Produktion berücksichtigen.

Dem Import des manieristischen Kunst in der Slowakei begegnen wir relativ früh, schon in den sechziger Jahre des 16. Jhs., im Zusammenhang mit dem Umbau der Burg in Preßburg (Bratislava), der damaligen Krönungs- und Hauptstadt Ungarns. Die Leitung der Bauarbeiten war Pietro Ferrabosco anvertraut; an der inneren Ausstattung partizipierte Giulio Licinio aus Venedig (1527 - 1593). Die Archivalien belegen seine Arbeit in der im 17. Jh. untergegangenen Preßburger Burgkapelle bzw. am königlichen Oratorium (gemeinsam mit Cesare Baldigara und zwei weiteren Mitarbeitern). Zu seinen Arbeiten gehört wohl auch die gemalte Groteskendekoration, deren Reste sich im Raum des ehemaligen Erkers auf der östlichen Seite des königlichen Palastes erhalten haben. Licinios Preßburger Malereien sind ein außerordentliches Beispiel des stilistisch ausgereiften Manierismus italienischer Provenienz - als solche finden sie keine Paralelle in der einheimischen Entwicklung.

Ein bemerkenswerter Einfluß des Spät-Manierismus zeigt sich seit dem Beginn des 17. Jhs. vor allem in der Beliebtheit von Kompositionslösungen berühmter Meister, die von den einheimischen Malerwerkstätten bei der Verwirklichung typischer Aufträge übernommen worden sind, wie z.B. bei der Gestaltung der Altäre und in den protestantischen Bildepitaphien für wohlhabende Patrizier und den niederen Landadel (vor allem in der Ostslowakei erhalten geblieben - Leutschau/Levoča, Csetnek/Štítnik, Kaschau/Košice, Bartfeld/Bardejov, usw.).

Wie in der damaligen Zeit üblich, sind die Epitaphiengemälde nach graphischen Vorlagen entstanden. Von diesen waren in der Zeit vor allem die Kupferstiche der niederländischen Stecher außerordentlich beliebt, die die Kompositionen der hervorragenden Meister des Rudolfinischen höfischen Kreises aus der Zeit um das Jahr 1600 wiedergegeben hatten. Die Rolle der Graphik (vor allem der Sadelerschen) bei der Entstehung solcher Werke und für die Verbreitung bekannter kompositorischer Inventionen Rudolfinischer Figuralisten, kann man durch mehrere charakteristische Beispiele belegen. Sie alle sind nur die von mittelmäßigen einheimischen Zunftmalern verwirklichten Derivate der Meistervorlagen, nur wenige von ihnen kommen über das handwerkliche Niveau hinaus.

Unter den in der Slowakei erhalten gebliebenen Bildern aus der ersten Hälfte des 17. Jhs. finden wir allerdings auch einige andere Werke anonymer Autoren, die bisher unbemerkt geblieben sind und ein besseres Verständnis für die Prinzipien des manieristischen Schaffens bilden. Ebenso inspiriert durch die graphischen Vorlagen, unterscheiden sie sich - außer durch bessere künstlerische Durchführung - auch durch die bewußte Stilwahl, d.h. stilistische Inklination zur Spätphase des internationalen Manierismus, wie sie sich im Schaffen der Rudolfinischen Meister zeigte. Nach ihren Vorlagen wird nicht nur die Komposition gestaltet, sondern auch solche formalen Aspekte wie die dekorative Wirkung der angewandten Gestaltungsprinzipien, Farbgebung und Lichtführung (im Unterschied zu den gängigen Epitaphiengemälden, die meistens nur mechanisch die nach der Vorlage kopierten, durch feste Kontur begrenzten Figuren kolorieren). Auffällig ist das charakteristische Kolorit dieser Bilder mit einer bunten Skala der gebrochenen Pastelltöne, die die Schöpfer unmöglich von einer graphischen Vorlage ableiten konnten. Dies berechtigt uns zur Annahme, daß die anonymen Schöpfer manieristische Bilder Rudolfinischer Prägung gesehen haben.

Unter der einheimischen Produktion des beginnenden 17. Jahrhunderts ragt ein bemerkenswertes Werk hervor - das Altar, das für die Kapelle seiner Burg Orava im Jahre 1611 vom Palatin Georg Thurzo bestellt wurde. Der etwa 10 Meter hohe Holzaltar bildete die Dominante der Burgkapelle. Außer der Repräsentation des Auftraggebers stellte der Altar gleichzeitig auch seine "bildliche Glaubensbekenntnis" dar.

Die kleineren auf Holz gemalten Altarbilder stellen die eindeutig festgelegten biblischen, in der Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts üblichen Themen dar (seitlich auf den Flügeln Ausspeiung des Jonas und Samsons Löwenkampf, die Vertreibung aus dem Paradies und den Gekreuzigten Christus). In der Mitte der Predella befindet sich das Abendmahl mit zwei kleineren oktogonalen alttestamentarischen Szenen auf beiden Seiten (Mannalese, Moses schlägt das Wasser vom Felsen), im Altaraufsatz wiederum Jüngstes Gericht und zwei Familienwappen auf den Seiten. Charakteristisch ist auch ihre Bezeichnung mit den entsprechenden Zitaten, mit denen sie in den Intentionen der protestantischen Kunst eine typologische Bedeutungseinheit bilden. Der ikonographische Schwerpunkt wird aber von dem großen zentralen Leinwand gebildet, oben mit der bezeichnenden Überschrift SPECULUM IUSTIFICATIONIS , die sich ihrer Inhalt und ihrer Form nach den gebräuchlichen ikonographischen Schemen entzieht und in der zeitgenössischen Kunst keine Analogie findet. In der einzigen Komposition sind hier synthetisch die komplexen Thesen der Lutherschen Interpretation der Lehre von "der Rechtfertigung des Menschen aus dem Glaube", d.h. durch Gnade Gottes, mittels des Glaubens an Christus dargestellt.

Die Gemälde des Altars, die stilmäßig zur damals aktuellen manieristischen Ansicht inklinieren, reflektieren die zeitgenössische Situation der Kunst auf der Wende der zwei Stilepochen, trotz der Tatsache, daß seine Zentralkomposition das typische Beispiel für ein Werk ist, bei welchem sich die Probleme der künstlerischen Form in den Hintergrund zurückgezogen und dem moralischen Didaktismus den Platz überlassen haben.

Autor der Altarbilder ist nicht bekannt. (Ihre Zuschreibung dem Maler J. Khien aus Neusohl/Banská Bystrica, tradiert in der Literatur ist als unbegründet zurückzuweisen.) Der Malerstil und der Gesamtcharakter der qualitativ besseren, von dem niederländischen Manierismus beeinflußten Altarbilder führt uns zur Voraussetzung, daß der Thurzo-Altar als ein Ganzes auf Thurzos Bestellung in einem der damaligen Kulturzentren (Prag?) entstanden ist und zu uns nur importiert wurde.

Außer der aufgrund ihrer künstlerischen Qualität bei uns vereinzelten Malereien des Thurzo-Altars, nähern sich z.B. die Bilder vom Altar des Heiligen Kreuzes (um 1629) im Zipser Kapitel/Spišská Kapitula (die Predella nach einer Komposition H. van Aachens und "Sprangerisch" anmutende Engelfiguren auf den Altarflügeln), oder der in Skalitz/Skalica erhalten gebliebene Bild Madonna mit den Heiligen (vor 1661) den Rudolfinischen Vorlagen auch dann, wenn es sich um ihre bildnerische Qualität handelt.

Die Beispiele solcher anonymer Werke und die angedeuteten Zusammenhänge öffnen eine weitere, bisher noch nicht dokumentierte Ebene für die Erforschung der Einflüsse der Rudolfinischen Hofkunst und belegen, daß diese bei uns eine andauernde Resonanz gefunden hat.

In der Slowakei (ehem. Oberungarn) kann man kein direktes Eingreifen der hervorragendsten Rudolfinischen Meister feststellen. Es läßt sich aber voraussetzen, daß auch bei uns mehrere ihrer weniger bedeutenden Schüler, Nachahmer und Epigonen wirkten, die die Möglichkeit hatten, das spätmanieristische Schaffen aus der Autopsie kennenzulernen. In diesem Zusammenhang ist es interessant, zu verfolgen, wie sich danach im Verlauf des zweiten Drittels des 17. Jhs., unter dem Druck der Gegenreformation in der Zeit des Vordringens neuer frühbarocker Prinzipien auch in die peripheren mitteleuropäischen Gebiete, das Schaffen solcher kleineren Meister anpaßt, und wie die Künstler, die noch in der Tradition der Spätrenaissance geschult worden sind, auf die neuen Impulse reagieren. Die Problematik dieser Übergangszeit kann man gut verfolgen anhand eines der bedeutendsten Repräsentanten der Malerei um die Hälfte des 17. Jhs. in der Slowakei, des Wiener bürgerlichen Malers Christian Knerr (auch Knörr, Gner, Kher; um 1590 - 1655), der - wie es sich letztlich zeigte - die Epoche seiner künstlerischen Formung direkt im Milieu des Prager Hofs Rudolfs II. erlebt hatte, mit seinem eigenen Schaffen aber bereits zur ersten Generation der frühbarocken Meister gehört.

Der Baumeister Philiberto Luchese vermittelte Knerr die angesehenen Aufträge bei Bauunternehmungen der gerade avancierenden ungarischen Magnate (Batthyány, Pálffy). In der Zeit, wenn ein anderer bedeutender Maler - der Nürnberger Paul Juvenel (1579 - 1643) - am Dekorieren der Repräsentationsräume der Preßburger Burg arbeitete, lieferte Knerr die Altarbilder der ungarischen Heiligen für die neu eingerichtete Burgkapelle. Gleichzeitig beteiligte er sich 1639 - 1640 auch an der Innenausstattung eines weiteren bedeutenden frühbarockes Objekts - des Neubaus der jesuitischen Universitätskirche in Tirnau (Trnava).

In den archivalisch belegten Tirnauer Malereien - seinen einzigen bis heute erhaltenen Werken - würden wir schwerlich Residuen des Manierismus finden. Es hängt mit den veränderten Ansprüchen seiner Auftraggeber und der veränderten Funktion der Kunstwerke, die nun ihre Rolle beim Verbreiten der neuen Frömmigkeit spielen und dementsprechend eindeutig und wirksam bildnerisch gestaltet worden sein sollten. Es ist auch möglich, daß der als ein Selbstzweck verstandene Artismus, dem er persönlich im exklusiven Hofmilieu begegnete, ihm - einem Vertreter der folgenden Generation - nicht mehr imponierte.