Časopis ARS 28 (1995) 1

Anna PETROVÁ-PLESKOTOVÁ

Petrohradské veduty z esterházyovských zbierok
[Die Veduten von Sankt Petersburg aus den Esterházy-Sammlungen]
[The Vedutas of St. Petersburg from the Esterházy Collections]

(Resumé)

Die Autorin befasst sich mit sechs Veduten der Stadt Sankt Petersburg, die von der Fachliteratur bisher unbeachtet blieben. Drei von diesen Veduten sind von dem hervorragenden Repräsentanten des venezianischen Settecento - von dem Maler Francesco Guardi (1712 - 1793) signiert. Die Archivalien aus dem Jahre 1780 belegen, dass diese aus den Sammlungen des Fraknoer gräflichen Zweiges der Esterházy-Familie stammen, heute befinden sie sich im Besitz des Magistrats der Stadt Sereď. Als außerordentlich beachtenswerte Gemälde erwähnt sie in seiner Reisebeschreibung Gottfried Edle von Rotenstein (der neustens als Graf Johann IX. Pálffy identifiziert wurde), und der das Schloss Čeklís (Lanschitz, heute Bernolákovo) im Jahre 1781 besuchte.

Von den ursprünglich achtzehn Prospekten von Sankt Petersburg und seiner Umgebung - Peterhof, Zarskoje Selo, Oraniebaum u. a., die im Inventar des Schlosses Čeklís aus dem Jahre 1780 registriert wurden, haben wir zur Zeit, außer den vier großformatigen Gemälden, die den Musiksaal der Bratislavaer Burg dekorieren, Kenntnis nur von zwei weiteren kleineren Bildleinwänden, die im Bezirksmuseum von Galanta ausgestellt sind. Es ist uns bis heute nicht gelungen, das Schicksal der übrigen Ansichten zu erforschen.

Francesco Guardi erwarb seine fachliche Ausbildung ursprünglich als Figuralist in Venedig, in der Familienwerkstatt, die von seinem ältesten Bruder Gianantonio geführt wurde. Doch schon in den figuralen Gemälden, an denen er mitgearbeitet hatte, äußerte er sein Interesse für die landschaftlichen Motive, die später in der Form von Capriccis phantastischen Landschaften und Veduten Domäne seiner Schöpfung wurden. Die Anfänge seiner Orientierung an die phantastischen Landschaften, die er unter dem Einfluss vom M. Ricci und M. Marieschi malte, setzen die Kunsthistoriker in die 1740-gen Jahre, seine ersten Veduten, die die Lektion von Canaletto widerspiegeln, in das Jahrzent 1745 - 1755.

In der Guardi-Werkstatt, wie es z. B. auch Francesco's venezianische Veduten aus den Sammlungen der Galerie der Akademie der bildenden Künste in Wien beweisen, gehörte die Arbeit nach fremden Vorlagen zu den gewöhnlichen Arbeitsmethoden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Fr. Guardi Italien niemals verlassen hatte, war der Maler gezwungen, bei den Ansichten von Sankt Petersburg ähnlicherweise zu verfahren. In diesem Fall, wie wir es festgestellt haben, wurden ihm zu diesem Zweck die graphischen Vorlagen, die die russischen Stecher nach den Vorzeichnungen Michail Iwanowitsch Machajew's (1717 - 1770) gestaltet hatten, zur Verfügung gestellt. Diese wurden in Form eines Albums von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften und Künste zu Sankt Petersburg herausgegeben. Das erste Album, nach dessen Blättern unsere Gemälde gefertigt wurden, erschien im Jahre 1753 - zum fünfzigsten Jahrestag der Gründung von Sankt Petersburg, das nächste im Jahre 1761. In diesem Zeitraum übte Graf Nicolaus Esterházy (1711 - 1764) als Gesandter des Wiener Hofes seine erfolgreiche diplomatische Mission in Sankt Petersburg aus. Wir nehmen an, dass es höchstwahrscheinlich derselbe war, der diese graphische Vedute erwarb und er selbst, oder sein Bruder Franz, dank seiner Verbindungen, die Bilder bei Francesco Guardi bestellte. Die vier großformatigen an der Bratislavaer Burg ausgestellten Veduten (140 x 230 cm), stellen prunkvolle Paläste, Residenzen und öffentliche Bauten dar, die aus der Initiative des Zaren Peter des Grossen entlang der Neva gebaut wurden, und die aus der Stadt Sankt Petersburg, die im Jahre 1712 zur Hauptstadt des zarischen Imperiums deklariert wurde, eine der sehenswerten europäischen Metropolen machten.

Bei der Vedute "Ansicht der Newa - aufwärts von der Admiralität und der Akademie der Wissenschaften nach Osten" benutzte Guardi als Vorlage das mit kombinierter Technik von Radierung und Kupferstich gefertigte graphische Blatt von Efim Grigorjewitsch Winogradow, das nach der Vorzeichnung von M. I. Machajew gemacht wurde. Ähnlich wie bei den Veduten nach den graphischen Umschriften der Werke Canalettos, überhöhte Guardi beträchtlich den Himmel, womit er die Luftfülle des Raumes und einen tieferen panoramatischen Anblick erreichte. Bei der topographischen Umschrift der Gebäude folgte er ziemlich genau der Vorlage, an den Fassaden wandte er aber markante Schatten an und rhythmisierte damit die belichteten und beschatteten Mauern. Was die Anzahl der Figuren und deren Stellung betrifft, übernahm er diese fast unverändert, aber mit seinen Erfahrungen als Figuralist und Meister des Pinselstriches unterschied er sie qualitativ von der Vorlage. Aus den mehr oder weniger kleinen starren Figuren des Stiches entstanden bewegliche Wesen, die durch das Spiel des Lichtes und Schattens und dank der mit ausdruckvoller Pinselführung gemachten weißen und farbigen Flecken und Tüpfelchen belebt wurden. Als vertrauter Kenner der Bewegung der Wasserfahrzeuge und des Wassers in der venezianischen Bucht brachte er diese seine Impressionen und Kenntnisse auch bei der bildlichen Darstellung des grünlichen Wasserspiegels der Neva zur Geltung. Im Unterschied zu der mehr oder weniger einförmigen Fläche der Neva an der Vorlage, ist diese an dem Gemälde durch die Bewegung der Schiffe, Barken und Ruderboote mehr gekräuselt. Es gelang ihm durch rote Farbeeffekte an den Flaggen der verschiedenen Wasserfahrzeuge als auch an der Bekleidung der figuralen Staffage, die Lebensdynamik an der Neva und an ihren Ufern in das Bild zu integrieren. Die Panorama-Lichtfülle ist auch durch den von weißen Wolken belebten azurblauen Himmel unterstützt.

Ähnliche Arbeitsvorgänge und Ausdrucksformen sind auch für die drei übrigen Veduten, die sich zur Zeit an der Bratislavaer Burg befinden, kennzeichnend. Es sind: "Ansicht der Newa in der Richtung nach Westen zwischen der St. Isaakkirche und den Gebäuden des Kadettenkorps", realisiert nach der graphischen Umschreibung der Vorlage Machajews von Jakow Wasiljewitsch Wasiljew, "Ansicht der Newa aufwärts - in der Richtung nach Osten zwischen der Galeerenwerft und der 13. Linie der Wasiljevskij-Insel", die dem graphischen Blatt von Iwan Petrowitsch Eljakow, bzw. der Vorlage M. I. Machajews folgt, und "Ansicht der Newa abwärts - zwischen dem Winterhaus ihrer kaiserlichen Majestät und der Akademie der Wissenschaften", die sich an das graphische Blatt Grigorij Anichkiewitsch Katschalows stützt, das ebenso nach Machajews Vorzeichnung entstanden ist.

Die ersten drei obenerwähnten Veduten tragen die Signatur Francesco Guardis, die in der ursprünglichen Schicht der Gemälde eingetragen ist. Sie gehören zu den wenigen Werken, die der Künstler eindeutig autorisierte. In Berücksichtigung der Handschrift und des künstlerischen Niveaus schreiben wir Guardi auch die unsignierte "Ansicht der Newa abwärts - zwischen dem Winterhaus ihrer kaiserlichen Majestät und der Akademie der Wissenschaften" zu. Die Vedute "Ansicht der staatlichen Kollegien und eines Teiles des Handelshofes nach Osten hin", realisiert nach der graphischen Umschreibung der Vorzeichnung von Machajew durch Ekim Terentiewitsch Wnukow, die sich zur Zeit in der Exposition des Bezirksmuseums in Galanta befindet, ist von einer wesentlich schwächeren Qualität. Es fehlen ihr sowie die Großzügigkeit als auch andere Merkmale Guardis malerischen Äußerungen. Ähnlich ist es auch mit ihrem Pendant im Museum in Galanta - "Ansicht des alten Winterpalastes mit dem Kanal, der die Mojka mit der Newa verbindet", die der Graphik E. G. Winogradows nach M. I. Machajew folgt. In den beiden Fällen handelt es sich um eine Werkstattarbeit, beziehungsweise um eine Arbeit des bis heute wenig bekannten Bruders von Francesco - Nicola. Ein Eingriff Fr. Guardis käme eventuell nur bei einer figuralen Szene auf der Brücke bei der "Ansicht des alten Winterpalastes..." in Betracht. Die Veduten an der Bratislavaer Burg gehören zu den kostbaren Werken des venezianischen Settecento und obwohl sie nicht zu dem Höhepunkt der Francesco Guardis Schaffensperiode gehören, sind sie einer erhöhten Aufmerksamkeit der Kunsthistoriker wert.