Časopis ARS 28 (1995) 1

Marta HERUCOVÁ

Náhrobky Viktora Oskara Tilgnera a ich význam v sepulkrálnom umení
[Viktor Oskar Tilgners Grabmäler und ihre Bedeutung in der Sepulkralkunst]
[Viktor Oskar Tilgner's Tombs and Their Importance in Sepulchral Art]

(Resumé)

Nach der Stagnation der Friedhofskultur zu Ende des 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts, als durch Anordnungen Joseph II. die innerstädtischen Friedhöfe aufgelassen wurden und die Bestattung auf das einfache Bestattungszeremoniell in der Kirche beschränkt wurde, entstand in der zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts eine außergewöhnliche Entfaltung der Friedhofskultur. Grund dafür waren die politisch-wirtschaftlichen Veränderungen in der Habsburger Monarchie, die Emanzipationsbestrebungen des Bürgertums, der von Napoleon angeführte ständig andauernde Personenkult, sowie auch der Todeskult der viktorianischen Zeit. Es wurden neue Friedhöfe außerhalb der Städte nach strengen ästhetischen und höheren künstlerischen Kriterien angelegt. Erstmals in der Geschichte wurde mit der Teilnahme des Menschen bei der Bestattung und mit seinem häufigeren Besuch des Grabes gerechnet. Das Grabmal wurde eine Angelegenheit des gesellschaftlichen Prestiges und eine Manifestation der neuen Einstellung zum Tod, gegründet auf eine subjektive Empfindung. Vor das Thema des Todes wurde die Glorifizierung des Verstorbenen, die Erinnerungen an ihn, private und intime Szenen mit Motiven von Abschied, Trauer, Schmerz, Liebe, die zu einer Anregung der Gefühle und einer Versenkung führen sollten, gestellt. Die Requisiten zu solchen Darstellungen entlehnte man aus verschiedenen historischen Epochen, vor allem der Antike. Das geschah im Geiste des Akademismus, Klassizismus, der Romantik, des Historismus sowie des Jugendstils. Die Auftraggeber für die Grabmäler aus fast allen Gesellschaftsschichten wandten sich, wenn es ihre finanzielle Lage zuließ, an renommierte Bildhauer. So wurde die ganze Generation der Bekanntesten zu Schöpfern dieser "imaginären Museen".

Zu ihnen gehört auch der in Wien tätige, aus Bratislava gebürtige, Viktor Oskar Tilgner (1844 - 1896). Er war vor allem wegen seiner meistens im Stil des Neobarock und Neorokoko geschaffenen Portraitbüsten anerkannt und berühmt. (Er hat fast drei hundert dieser Portraitbüsten geschaffen.) Er war wegen seines außergewöhnlichen Talents und seiner Meisterschaft, mit der er die Ähnlichkeit darstellen und den Charakter des Dargestellten erfassen konnte, berühmt wobei er gern (und bravourös) mit Falten der Draperien, Details von Gewändern, Gesichtern, Haaren und Händen spielte.

Die meisten der Tilgnerschen typologisch verschiedenartigen, aber mit dem für ihn charakteristischen barocken Pathos versehenen Grabmäler befinden sich auf dem Zentralfriedhof in Wien. Für das Grabmal der Gabriele Gräfin Radetzky von Radetz († 1888) in der Nachbildung eines römischen Tempels mit halbgeöffneten Grabtüren, schuf er eine Frauengestalt im Augenblick des Abschieds vom Diesseits. Für das Grab des Charles Grafen von O'Sullivan de Grass († 1888) entschied sich Tilgner für eine klassische Stele mit dem Relief einer trauernden Witwe, der Schauspielerin Charlotte Wolter, die vor der Herma mit dem Bildnis des Grafen sitzt. Dem Journalisten Max Friedländer († 1872) und dem Kaufmann Joseph W. Holly († 1892) schuf er Wandgräber in der Arkade des Friedhofs. Vor dem ersten steht eine trauernde Frau, einen Hammer in der Hand haltend; beim zweiten sitzt eine betende Frau, den Blick auf den Himmel gerichtet. Zur Gruppe der Grabmäler mit Frauengestalten, der in Tilgners Schaffen umfangreichsten Gruppe, gehört auch noch das Grabmal Emmerich Kálmáns ( † 1953), eigentlich nur die Statue, die ursprünglich für das Grabmal von Tilgners Eltern bestimmt war, weiter das Sarkophaggrabmal der Familie Faltiss in Trutnov und das Grabmal Adele Bodys in Budapest. Das Grabmal für zwei Maler August von Pettenkofen († 1889) und Karl Leopold Müller († 1889) stellt einen obeliskartigen Pfeiler dar, vor dem ein trauernder Mann, ein Medaillon mit den Porträts der Verstorbenen haltend, sitzt. Zu den monumentalsten Grabmälern gehört Tilgners Grabmal für den Bürgermeister der Stadt Wien Johann Prix († 1894) inspiriert vom Trauergerüst. Die Portraitbüste des Malers Alois Schön († 1897), die von Tilgner zu seinen Lebzeiten geschaffen worden ist, ist nach Tilgners Tod sekundär auf dem Grabmal des Malers angebracht worden.

Tilgners Grabmäler haben ihre Quellen in der Vergangenheit, so wie die konventionellen Symbole, mit denen er sie verziert hat: Lorbeerlaub, Efeu, Rosen, Mohnkapseln, Girlanden und vor allem Palmensprößlinge. Aus der Sicht der Sepulkralkunst, brachten seine Grabmäler, ähnlich denen seiner Zeitgenossen, ikonologisch nichts Neues. Trotzdem gehören sie zu den bedeutendsten ihrer Zeit.